press-schlag : Hertha gewinnt das erste Saisonspiel – und erhält sich so die Unsicherheit
Was passiert eigentlich, wenn Huub Stevens auch das zweite Spiel bei Hansa gewinnt?
Wie alles sich zugetragen hätte am frühen Samstagabend, wenn Luizão, der brave Brasilianer, im Rostocker Ostseestadion nicht ins Tor getroffen hätte zum knappen Sieg für Hertha BSC, ist nicht allzu schwer vorstellbar – und geht so: Der seit Abpfiff arbeitslose Fußballlehrer Huub Stevens hätte keinen Jubeltanz zum Vortrag gebracht, sondern wäre ohne auch nur einen weiteren Knurrer von dannen gestampft. Herthas Manager Dieter Hoeneß hätte vor laufenden Kameras sein Bedauern über den traurigen Ausgang der Geschichte kundgetan und ein vorletztes Mal, einem Nachruf gleich, die überragenden Qualitäten des gerade Entlassenen gelobt, während Fredi Bobic gleich nebenan scheinheilig beteuert hätte, nicht absichtlich dreimal daneben geschossen zu haben aus aussichtsreichster Position. „Nie würde ich gegen meinen Trainer spielen“, hätte Bobic zusammenschwäbelt – und dabei wieder so dämlich gegrinst, wie er es immer tut (nur geglaubt hätte man ihm nicht). Außerdem hätte es gestern, spätestens heute eine Pressekonferenz gegeben, auf der Hoeneß ein letztes Mal, und wieder einem Nachruf gleich, Stevens als ganz außergerwöhnlichen Trainer gelobt – und danach seinen mindestens ebenso außergewöhnlichen Nachfolger präsentiert hätte, zum Beispiel Asgeir Sigurvinsson oder Kjetil Rekdal. Die Fans hätten den Stevens-Rauswurf gefeiert, die Medien, zumindest die bunten, nicht minder – das Bündnis der Dummheit hätte ja endlich sein Ziel erreicht. Und alles wäre wieder in bester Ordnung gewesen bei Hertha.
Nichts ist in Ordnung. Luizão hat schließlich getroffen, Stevens ist immer noch da, und am Dienstag geht die ganze Scheiße nun in die zweite Runde. Diesmal im Pokal, wieder in Rostock.
Was passiert eigentlich, wenn Stevens dieses Spiel verliert? Ist dann endgültig bewiesen, dass er doch kein guter Trainer ist? Oder dass er einfach nicht zur Hertha passt? Stellt Manager Hoeneß dann Nicht-Stürmer Bobic ein Ultimatum, weil der schon wieder gegen den Trainer gespielt hat? Oder sieht der Manager gerade noch rechtzeitig ein, dass die Sache mit dem Zwei-Spiele-Ultimatum doch keine gute Idee war, und gibt bekannt, dass Stevens bleibt? Aber was schreien dann die Fans und schreibt die Presse? Vor allem: Wer glaubt Hoeneß dann noch?
Oder, andersrum: Wie geht es weiter, wenn Stevens auch das zweite Spiel gewinnt? Und erst danach wieder verliert, zuerst in Wolfsburg, dann zu Hause gegen Gladbach? Gibt’s dann ein neues Ultimatum, weil die Mannschaft ohne offensichtlich nicht gewinnen kann? Oder fliegt der Holländer wenigstens dann sogleich? Fragen über Fragen. Und keiner weiß Antworten!
FRANK KETTERER